Carlo Canestrari war einer der ersten internationalen Bildhauer, die am Symposion Lindabrunn teilnahmen. Mit der Darstellung eines wohlgeformten männlichen Körpers, der auf der Rückseite in den rohen Stein übergeht, besinnt sich Canestrari 1968 auf den Begriff des „Non-finito“. In der Bildhauerei werden damit Werke beschrieben, die zeigen, wie das Material bearbeitet wurde, die oftmals den Anschein erwecken, nicht ganz fertig zu sein und doch vollendet sind. Als wichtiges Thema der Kunstgeschichte reicht dieser Begriff bis zu Michelangelo zurück und wird durch Auguste Rodin, dem Wegbereiter der Moderne zum revolutionären Paradigma der Skulptur und Plastik. In den 1960er Jahre allerdings arbeiteten sich Bildhauer_innen vor allem an anderen Themen ab. Die Darstellung von „perfekten“ Körpern wirkte fasst schon wie aus der Zeit gefallen. Canestraris Torso ist – wahrscheinlich auch deswegen – der einzige Torso in der Skulpturensammlung des Symposions. Der ikonische Rückgriff auf ein klassisches Thema heute sozusagen sein lokales Alleinstellungsmerkmal.